«Jede Zahnbürste hat ihre Geschichte»

Rothrist Marlène Keller lädt auf eine Reise in die Welt der Zahnbürsten ein

Von Katrin Freiburghaus

Dass Patienten ihrer Dentalhygienikerin Zahnbürsten schenken, ist eher aussergewöhnlich. Nicht so bei Marlène Keller. Die Rothrister Dentalhygienikerin, welche in Aarburg aufgewachsen ist, sammelt Zahnbürsten aus der ganzen Welt – ihre Kollektion zählt inzwischen mehrere 100 Exemplare. «Die Vielfalt an Zahnbürsten, die es heutzutage gibt, fasziniert mich», sagt die 44-Jährige und öffnet einen grossen Metallkoffer. Rote, gelbe, blaue, grüne Zahnbürsten, solche mit Schlumpf-, Zebra- oder Holz-Griff sind auf schwarzem Karton befestigt und sorgfältig beschriftet. «Die Hersteller nehmen häufig Grossanlässe zu Werbezwecken und fertigen dazu Sondermodelle an», erklärt sie. So gibt es beispielsweise von der Fussball-Weltmeisterschaft in Brasilien eine Zahnbürste mit grünem Griff und Borsten in den Landesfarben blau, gelb und grün. Täglich werden in der Schweiz über eine Million Zahnbürsten produziert.

In das bunte Spektrum an Zahnbürsten gewährt Marlène Keller anlässlich der Ausstellung «Medizingeschichte» im Heimatmuseum Rothrist Einblick. Im ersten Stock hat sie mit ihrer Mitarbeiterin, Erna Oschwald, die speziellsten Exemplare mit viel Liebe zum Detail ausgestellt.

Vom Kaustab zum Massenprodukt

«Zahnbürsten sind früher ein Luxusgut gewesen, das sich nur der hohe Adel hat leisten können», sagt Marlène Keller. Bis zur Erfindung des Nylons im Jahr 1938, welcher die billige Massenherstellung ermöglichte, wurden vorwiegend Pferdehaare und Schweineborsten als Material verwendet. Die Geschichte der Zahnbürste gehe aber noch weiter zurück. Um 3500 vor Christus benützten die Babylonier bleistiftgrosse Holzstücke von Ästen als «Kaustöckchen». Noch heute werden in Entwicklungsländern die Zähne auf diese Art und Weise geputzt. «In Äthiopien kauen die Menschen auf geschnitzten Holzstücken. Eine Zahnbürste, so wie wir sie kennen, gibt es dort in ländlichen Gebieten noch nicht.» Eine Patientin habe während eines Aufenthalts in Äthiopien einen Mann auf der Strasse angetroffen, der «Holzzahnbürsten» schnitzte. Für diese Patientin sei klar gewesen, dass sie sich ein solches spezielles Souvenir für Marlène Keller einpacken liess – deren Faszination dafür hat sich längst herumgesprochen.

Ebenfalls auf einer Reise hat die Dentalhygienikerin ihre Leidenschaft zu den Zahnbürsten entdeckt. «Im Ausland gehe ich immer gerne durch Apotheken und Drogerien und schaue, welche Mundhygiene-Angebote im jeweiligen Land existieren», erzählt Keller. Das sei auch vor 20 Jahren so gewesen, als sie mit ihrer Sammlung begonnen hatte. Rasch waren die ersten Zahnbürsten gekauft. Und so gibt es auch heute keine Reise, von der sie ohne spezielle Zahnbürste zurückkehrt. Die Sammlung von Marlène Keller hat in den vergangenen Jahren ein immer grösseres Ausmass angenommen. Deshalb hat sie sämtliche Zahnbürsten in verschiedene Gruppen eingeteilt. Beispielsweise in manuelle oder elektrische Zahnbürsten, solche für Kinder oder Erwachsene und Sondermodelle.

Referate für einen guten Zweck

Ein Patient habe sie auf die Idee gebracht, die Sammlung zu präsentieren und Referate zu halten. «Mit dem Erlös unterstütze ich die Stiftung Theodora Schweiz, welche mit professionellen Artisten das Leiden von Kindern im Spital durch Freude und Lachen lindert», sagt Marlène Keller, die eine eigene Praxis in der Klinik Villa im Park führt. Gewisse Sachen rufe sie in Erinnerung. Aus hygienischen Gründen sollte eine handbetriebene Zahnbürste alle fünf bis sechs Wochen ersetzt werden. «Ich empfehle beispielsweise auch, nach jeder Hauptmahlzeit die Zähne zu reinigen sowie täglich Zwischenraum- und Zungenreinigung durchzuführen.»

Besonders schlecht für die Zähne seien zudem die Süssigkeiten zwischendurch. Das Putzen sei nebst dem gesundheitlichen Aspekt auch wichtig für das Wohlbefinden und das Frischegefühl. «Mithilfe der farbenfrohen Zahnbürsten werden vor allem Kinder zum Zähneputzen motiviert», sagt Marlène Keller und zeigt auf eine blinkende Bürste kombiniert mit Musik.

«Jede Zahnbürste hat ihre Geschichte und die Sammlung bereitet mir eine Riesenfreude.» Auf die Frage, welches ihr speziellstes Exemplar sei, meint sie: «Einmal am Morgen habe ich per Post eine Star-Wars-Zahnbürste aus Boston erhalten», sagt die Dentalhygienikerin, die beim Stepptanzen einen Ausgleich zum Beruf findet. In ihrer Freizeit gehe sie aber auch gerne der Kalligrafie nach. Und als Fussballfan lassen vor allem die Zahnbürsten von Sportclubs ihr Herz höherschlagen. Eines ist für Marlène Keller sicher: «Ich freue mich über jedes Exemplar, das ich bekomme.» Und ihre Patienten erhalten im Gegenzug nach der Behandlung dann auch wieder eine Zahnbürste zurück – selbstverständlich eine aus der Massenproduktion zur Pflege der Zähne.

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